querflöte

Diese Querflöte der Marke Pearl habe ich Anfang der 1990er Jahre gekauft. In einer Musikalienhandlung in Marburg hatte ich mir einen Prospekt besorgt und daraus ein Modell ausgewählt. Der Verkäufer empfahl mir, die Flöte direkt beim Hersteller zu bestellen, um die Kosten für den Zwischenhändler zu sparen. Ich rief beim Kundenservice in den USA an, und einige Wochen später traf die Flöte per Post bei mir ein. Ich kaufte mir eine Querflötenschule und fing an zu üben.

Irgendwann in meiner Gymnasialzeit hatte ich auf Anregung meines Musiklehrers in der Schule einmal eine Querflöte aus dem dortigen Leihinstrumentenbestand ausgeliehen. Mein Musiklehrer war ein Deutsch-Rumäne, der als Trompeter mit einer Jazz-Band aufgetreten war, ehe er Musiklehrer wurde. Zu unserer Abiturfeier studierte er mit uns eine Show mit dem Titel „All You Need is Love“ ein, in dem ich mit meinem damaligen Tanzpartner mit einer „Dirty Dancing“-Nummer auftrat. Die Leihflöte war mir unangenehm, weil ich den Gedanken nicht mochte, dass auch andere sie schon am Mund gehabt hatten. Weil man das Leihinstrument nur behalten durfte, wenn man auch Unterricht nahem, suchte ich mit meinem Vater einen potenziellen Querflötenlehrer auf, der irgendwo in der Nähe einer U-Bahn-Station der Linie U1 wohnte. Trotzdem begann ich nie mit dem Unterricht – warum, weiß ich nicht mehr. Nach einigen Wochen gab ich die Flöte wieder zurück.

Irgendwann in jener Zeit hatte ich auch den Klavierunterricht aufgegeben, weil meine Klavierlehrerin mich dafür getadelt hatte, dass ich meine Fingernägel lackiert hatte. Sie sorgte sich, dass der Lack Spuren auf den Tasten ihres Flügels hinterlassen könnte. Stattdessen brachte ich mir mit Hilfe von Freunden aus der Schule einige Griffe und Melodien auf der Gitarre bei. Gemeinsam sangen wir die Lieder aus den Liederbüchern der kunter-bund-edition, dem „Liederbuch“, der „Liederkiste“ oder dem „Liederkarren“. Mir gefielen damals besonders die düsteren Endzeitlieder wie Joan Baez‘ „Where have all the flowers gone“ oder Reinhard Mey’s „Kaspar“. Die Gitarre hatten meine Eltern mir zu meinem 13. oder 14. Geburtstag geschenkt. Bei der Geburtstagsfeier lief meine Ballettfreundin Lara fasziniert mit einem im Dunkeln leuchtenden Plektron, das meiner Schulfreundin Lia gehörte, durch unseren Flur. Lia konnte sehr gut Gitarre spielen.

Meine Großmutter freute sich sehr, als sie hörte, dass ich Gitarre spielte. Sie selbst sang  gerne und war lange Mitglied eines Chors gewesen. Seit ich denken kann, hatte sie sich gewünscht, dass ich Akkordeon lerne. „Mit einem Akkordeon bist Du immer überall willkommen“, sagte sie. Als meine Schwester und ich uns ein Klavier wünschten, unterstützte sie unseren Wunsch (und gab auch Geld dazu, als meine Eltern ein gebrauchtes Klavier kauften). Eigentlich – jedenfalls erzähle ich mir das in meiner Erinnerung – wollte ich gerne Geige lernen, aber meine Eltern meinten, dass es zu anstrengend sei, dem Geigeüben zuhören zu müssen. Bis ungefähr zu der Zeit, zu der ich den Klavierunterricht aufgabe, spielte ich auch Blockflöte, erst Sopran- dann Altblockflöte bei einer Lehrerin und in einem Flötenkreis in unserer Kirchengemeinde. In den ersten Jahren spielte meine Mutter gelegentlich zuhause mit mir zusammen Blockflöte. Ich besitze bis heute mehrere Blockflöten der Marke „Fehr“, die meine Eltern mir über die Jahre kauften.

Als kleines Kind hatte ich im Kindergarten Glockenspiel gespielt. Alle anderen Kinder in unserer Gruppe hatten identische Lern-Glockenspiele, deren Klangplättchen beschriftet waren und bei denen man die H- und F-Plättchen gegen B- und Fis-Plättchen austauschen konnte. Ich benutze ein altes Glockenspiel, das deutlich länger und schwerer war als die Übungsinstrumente meiner Kindergartenfreunde. Den Glockenspielkasten aus mürber Pappe hatte meine Mutter mit orangegeblümtem Papier beklebt. Da ich keine Austauschplättchen hatte, musste ich bei Stücken in anderen Tonarten als C-Dur regelmäßig Töne auslassen.

In Marburg spielte ich viel alleine Querflöte und arbeitete mich nach und nach durch die Querflötenschule. Einige wenige Male spielte ich gemeinsam mit einer Freundin, die Geige spielte, zweistimmige Stücke, die weder für Geige noch für Querflöte ideal gesetzt waren. Am Ende meiner Marburger und am Anfang meiner Mainzer Zeit hatte ich einen Freund, der gut Klavier spielte. Mit ihm zusammen spielte ich viel Barockmusik für Flöte und Begleitung, und wir arbeiteten uns durch Mozarts Sonaten für Flöte und Klavier. Er hatte einen „Fazioli“-Flügel, dessen heller Klang gut zur Flöte passte. Er liebte die Berge und wollte in München leben; ich liebe das Meer und wollte nie in München leben. Einige Jahre nachdem wir uns getrennt hatten, heiratete er eine Französin, mit der er nach Frankfurt zog. Beim Umzug verkaufte er seinen Flügel.

Seit ich wieder nach Hamburg gezogen bin, habe ich die Flöte sehr selten in der Hand gehabt. Nach der Geburt meines Sohns habe ich ein Klavier gekauft, und seit einigen Jahren nehme ich wieder Klavierunterricht. In den letzten Sommerferien habe ich meine Flöte mitgenommen und seit langer Zeit wieder einmal gespielt. Meine Schwester hatte ihr Cello dabei. Viele Monate lang hörte mein Sohn zum Einschlafen regelmäßig „Die Zauberflöte“. Kürzlich sagte er: „Als ich kleiner war, fand ich die Zauberflöte schön, weil das so eine Märchengeschichte für Kinder ist. Jetzt mag ich eher ‚Le Nozze di Figaro‘ oder ‚Der Barbier von Sevilla‘ oder die ‚Matthäuspassion‘ oder das ‚Weihnachtsoratorium‘, weil es da um Dinge geht, die Menschen wirklich erleben“.

„Ohne Musik wär‘ alles nichts“, soll Mozart gesagt haben.


Anmerkung: Die in diesem Artikel erwähnten Markenartikel haben die Betroffenen bzw. ich selbst zum jeweiligen Zeitpunkt jeweils selbst zu regulären Preisen erworben. Ich schreibe über die Produkte, weil sie mir etwas bedeuten. Materielle Vorteile habe ich durch die Erwähnung der Produkte nicht.