Dieser aus gelben Krepppapier, einem schwarzen Gummiband und einer Gürtelschnalle von mir selbst gebastelte Bananenrock war in Anfang der 1990er Jahre Teil eines Kostüms für eine Steptanz-Choreographie zu „The Bare Necessities“ aus dem Dschungelbuch, das wir in Marburg mit unserer Hochschulsportsteptanzgruppe aus Anlass eines Uni-Sportfestes aufführten. Vor einigen Wochen, als mein Sohn sich für seine Kindergeburtstagsfeier einen „Theatergeburtstag“ wünschte, tackerte ich einige abgefallene Bananenkreppstreifen wieder fest und stellte den Kindern das Kostüm als Teil einer Bienenverkleidung zur Verfügung, die aber dann für die Inszenierungen nicht genutzt wurde.
Der Trainer unserer Hochschulsportsteptanzgruppe hieß Holger. Ich hatte ihn im ersten Semester bei einem Wochenendtanzkreis für Lateinamerikanische Tänze kennengelernt. Er nahm mit seiner Freundin daran teil; ich ging ohne Tanzpartner hin, weil ich hoffte, beim Tanzkreis vielleicht einen Tanzpartner zu treffen. Einzelne Herren ohne Damen gingen aber natürlich nicht zum Tanzkreis. Der Leiter des Tanzkreises hieß Ralph, und ich traf mich einmal mit ihm zum Kaffeetrinken. Da er gerade erzählt hatte, dass er aus einer Wohngemeinschaft in eine andere umgezogen war, in der es keine Lasagneform gab, brachte ich ihm eine rechteckige Auflaufform mit, die ich mit Schokoladenmarienkäfern gefüllt hatte. Ich tanzte abwechselnd mit Ralph und mit Holger. Nach einigen Wochen nervte es mich, dass ich keinen festen Tanzpartner hatte, und ich wechselte zu Holger in die Steptanzgruppe. Das Internet weiß, dass Holger und seine Freundin bis heute Turniere tanzen – inzwischen in der Seniorenklasse.
Solange ich noch in Hamburg wohnte, war ich jedes Wochenende mit meinem damaligen Tanzpartner Thorsten beim Tanzkreis gewesen. Wir hatten beide die Medaillenkurse miteinander getanzt, dann aber keine Lust gehabt, uns auf die Anstrengungen des Turniertanzes einzulassen. Beim Tanzkreis waren wir das jüngste Paar. Wir freundeten uns mit zwei älteren Tanzpaaren an, mit den wir auch gelegentlich gemeinsam zum Essen oder ins Kino gingen. Beide Paare waren – wir wir – „nur“ Tanzpaare und unabhängig vom Tanzen jeweils mit Parnter liiert, die nicht tanzen wollten oder konnte. Alle außer uns rauchten. Sie hießen Ira und Uwe und Monica und Jörn. Ira und Uwe fuhren oft zusammen nach Mallorca. Monica arbeitete in einer Bank. Jörn stellte in dieser Zeit gerade seine Abschlussarbeit an einer Hamburger Fachhochschule fertig. Am letzten Tag der Abgabefrist half ich ihm bei der allerletzten Korrekturleserunde und fuhr mit ihm im Auto zur Hochschule, wo wir buchstäblich um fünf Minuten vor 12 Uhr die Arbeit abgaben.
Als im Herbst 1987 der Film „Dirty Dancing“ in die Kinos kam, sahen wir alle sechs den Film kurz nach der Deutschlandpremiere gemeinsam im Kino. Jörn insbesondere war so begeistert, dass er uns überredete, gleich in der folgenden Woche noch einmal in den Film zu gehen. Und nicht lange darauf hatte er herausgefunden, dass in „Freddys Ballhaus“ am Hellkamp in Eimsbüttel Kurse für Mambo und Dirty Dancing stattfanden. Wir meldeten uns gemeinsam dort an und nahmen an mehreren Wochenenden hintereinander an den Kursen teil. Das Internet schreibt: „15 Jahre lang schwoofte Jung und Alt auf der 40 Quadratmeter großen Tanzfläche zu den Schallplatten von Uwe Heine. Der Diskjockey und Tanzlehrer hatte gemeinsam mit seiner Mutter das ehemalige Gemeindehaus gepachtet und in ein Tanzlokal im Stil der 50er Jahre verwandelt. […] ‚Die Einrichtung stammt aus dem ehemaligen Tanzcafé Bocaccio am Hamburger Hauptbahnhof‘, erzählt Heine. Sein Spitzname ‚Sir Fred‘ gab dem insgesamt 355 Quadratmeter großen Lokal den Namen“. Der Artikel erschien Anfang der 2000er Jahre, weil seinerzeit das Gebäude, das dem Kirchenkreis Alt-Hamburg gehörte, fast abgerissen worden wäre, weil sich kein Nachmieter fand. Der Hellkamp liegt knappe 900 Meter von meiner heutigen Hamburger Wohnung entfernt. Im portugiesischen Café nebenan und auf dem Spielplatz gegenüber bin ich mit Familie und Freunden oft zu Gast.
Als wir mit meinem Abiturjahrgang zu unserer Abschlussfeier eine Bühnenrevue einstudierten, die „All You Need Is Love“ hieß, traten Thorsten und ich mit einer eigenen Choreographie zu „Time Of My Life“ aus „Dirty Dancing“ auf. Mein Musiklehrer – ein ehemaliger Jazzmusiker, der aus Rumänien stammte – verpasste den Einsatz für unsere Musik, so dass wir zwei Mal starten mussten. Als Entschädigung lieh er mir einige Wochen später für eine Feier bei mir zuhause seine portable Musikanlage. Unsere Abi-Party fand seinerzeit übrigens im „Logo“ an der Grindelallee statt. Mit Thorsten war ich zum einzigen Mal in meinem Leben zum Tanzen in der „Insel“. Wir waren mit seinem von ihm selbst renovierten alten Jaguar in die Stadt gefahren, mit dem er mich auch nach dem Tanzen oder nach gemeinsamen Unternehmungen nach Hause brachte. Mein Lieblingslied aus „Dirty Dancing“ war seinerzeit „Hungy Eyes“. Bei den Treffen mit unserer Tanzclique bei Jörn zuhause sahen wir irgendwann in diesen Jahren gemeinsam auch die Filme „9 1/2 Wochen“ und „Fatal Attraction“.
„Am I just fooling myself?“, singt Patrick Swayze in „She’s Like the Wind“. Und in „Bare Necessities“ heißt es: „Look for the bare necessities, the simple bare necessities. Forget about your worries and your strife“.